Als sich Mathieu 2003 entschloss, Katechet zu werden, konnte er nicht ahnen, welcher Kreuzweg daraus für ihn und seine Frau werden würde. Die Rolle der Katecheten in Burkina Faso und anderen afrikanischen Ländern ist in Europa wenig bekannt: Nach vierjähriger Ausbildung betreuen Katecheten katholische Gemeinden in entlegenen Gebieten. Sie begleiten die Gläubigen im Alltag, bereiten sie auf die Sakramente vor, leiten Sonntagsandachten und fungieren als Brücke zum oft kilometerweit entfernten Pfarrer.
Epizentrum islamistischer Gewalt
Das westafrikanische Burkina Faso ist eines der Epizentren des Islamismus in der Sahelzone. Nahezu die Hälfte des Landes wird von Terrorgruppen kontrolliert. Terror und Gewalt treffen alle Bevölkerungsgruppen. Beobachter stellen jedoch auch gezielte Attacken auf christliche Bewohner fest, die rund ein Viertel der Einwohner des Landes ausmachen. „Kirche in Not“ unterstützt in Burkina Faso neben der Ausbildung und der Arbeit von Katecheten unter anderem katholische Schulen, kirchliche Flüchtlingslager und die seelsorgerische Begleitung von traumatisierten Menschen.
„Als meine Frau und ich als Katecheten anfingen, war es noch friedlich“, erzählt Mathieu. „Das Gemeindeleben lief störungsfrei, wir kamen auch gut mit den muslimischen Nachbarn aus. Wir hielten ein paar Tiere und bewirtschafteten etwas Land“, erzählt Mathieu. „2018 jedoch erlebte Baasmere den ersten Überfall von Extremisten.“ Das Dorf Baasmere, zur Diözese Dori gehörend, ist Teil der Pfarrei Aribinda im Norden von Burkina Faso. Die kleine katholische Gemeinde zählt etwa 150 bis 200 Mitglieder. Der Katechet erklärte sich dazu bereit, „Kirche in Not“ seine Geschichte bei einem Besuch des Hilfswerks in Burkina Faso zu erzählen. Seine Frau bleibt dem Gespräch fern – die Wunden des Erlebten schmerzen noch zu sehr.
Erste Warnungen
„Es kamen Männer in mein Haus und forderten mich auf, nicht mehr zu beten und keine religiösen Veranstaltungen mehr zu organisieren“, berichtet Mathieu. „Wenn du weitermachst, wird dir etwas Schlimmes passieren“, drohten sie. „Natürlich hatte ich Angst“, gesteht der Katechet und fünffache Vater, „aber ich dachte: Ich kann nicht aufhören, Gottes Wort zu verkünden. Also machte ich weiter.“
Dann kamen sie ein zweites Mal. „Sie warfen mir vor, weiter zu beten und Andachten zu leiten“, erinnert sich der Katechet. Nach dieser erneuten Drohung trafen sich die Katecheten der Region mit dem zuständigen Pfarrer und dem Bischof. Alle beschlossen zu bleiben, aber auch, unauffälliger zu agieren. Seine Frau brachte Mathieu am Schulort der Kinder, einige Kilometer entfernt, in Sicherheit. Sie erwartete ihr sechstes Kind.
Die Entführung
Am Samstag vor Pfingsten kehrte seine Frau zurück, damit sie den Feiertag gemeinsam verbringen konnten. Es war der 20. Mai 2018. Um die Mittagszeit drangen zwölf bewaffnete Männer in Mathieus Haus ein. Sie fragten ihn: „Was tust du noch hier?“ Er antwortete: „Ich bin Katechet, ich erfülle meine Aufgabe.“ Daraufhin zwangen sie ihn zu Boden, verbanden ihm die Augen, und fesselten ihn. Sie zerrten ihn hinaus und setzten ihn zwischen zwei Terroristen auf ein Motorrad.
„Ich dachte, ich würde sterben“, erinnert sich Mathieu. Mit verbundenen Augen konnte er nicht bemerken, dass auch seine Frau Pauline gefangen genommen worden war. „Erst nach der ersten Nacht, als sie mir die Augenbinde abnahmen und die Fesseln lösten, wurde mir klar, dass sie bei mir war; es war schrecklich“, erzählt Mathieu.
Gefangen im Niemandsland
Bis heute weiß er nicht, wo er mit seiner Frau festgehalten wurde, nicht einmal in welchem Land. Tag für Tag hätten seine Bewacher gedroht: „Wir werden dich töten, du kannst die Art wählen, wie du getötet werden willst. Üblicherweise würden wir dir die Kehle durchschneiden, aber du darfst entscheiden.“
Die Entführer verbrannten die wenigen Habseligkeiten, die Mathieu und Pauline bei sich trugen, gaben ihnen neue Namen und muslimische Kleidung. „In der ganzen Zeit hörte ich nie auf zu beten“, betont er. „Das Gebet war in diesen Momenten mein einziger Halt. Wir fühlten uns nicht von Gott verlassen, das Rosenkranzgebet gab uns Kraft.“
Die Befreiung … und die Trauer
So abrupt wie die Entführung begonnen hatte, ging sie auch zu Ende. Nachdem die Terroristen sie in einer Einöde ausgesetzt hatten, half ihnen ein Hirte, ein Fahrzeug zu finden, das sie direkt ins nächste Krankenhaus brachte. Pauline konnte behandelt werden, doch ihr ungeborenes Baby war tot. Bei dieser Erinnerung werden Mathieus Augen trüb vor Trauer.
Trotz des Terror-Risikos beschloss Mathieu, wieder in sein Dorf zurückzukehren: Es war nichts mehr übrig, alles war zerstört worden. Doch in der Asche seines Hauses entdeckte er zwei Dinge: seinen Personalausweis und die Bibel.
Als der Bischof ihm nahelegte, nach all dem, was er erlitten hatte, sich vorzeitig zur Ruhe zu setzen, erwiderte Mathieu: „Ich will nicht ruhen, ich möchte meinem Volk dienen. Man muss bezeugen, wem man folgt und Gott die Treue halten.”