Die französischen Bischöfe haben am Freitag offiziell beantragt, dass die Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Untersuchung der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Abbé Pierre einleitet, einen prominenten Priester, der das Armenwerk Emmaus gegründet hat.
Der Schritt folgt auf neun neue Anschuldigungen in einem neuen Bericht, der am 13. Januar gegen den französischen Priester veröffentlicht wurde, der 2007 im Alter von 94 Jahren starb.
Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort, der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, kündigte den formellen Antrag am 17. Januar in einem Radiointerview an und betonte die Notwendigkeit, weitere Opfer aufzudecken.
Während der verstorbene Abbé Pierre nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden kann, könnte die Pariser Staatsanwaltschaft noch gegen mögliche Komplizen oder Versäumnisse bei der Anzeige von Missbrauch und Übergriffen ermitteln.
Jüngste Entwicklungen
Anfang dieser Woche haben Emmaus International, Emmaus Frankreich und die Stiftung Abbé Pierre ihre dritte und letzte Sammlung von Zeugenaussagen veröffentlicht, die neun neue Berichte über mutmaßlichen sexuellen Missbrauch dokumentieren. Nach Angaben der Organisation erhöht sich damit die Gesamtzahl der Zeugenaussagen auf 33.
Die Anschuldigungen gegen den Priester wurden erstmals im Jahr 2023 bekannt, als Emmaus Frankreich die Aussage einer Frau erhielt, die Abbé Pierre des sexuellen Missbrauchs beschuldigte. Weitere Zeugenaussagen wurden im Juli 2024 in einem unabhängigen Bericht veröffentlicht, der von Emmaus in Auftrag gegeben wurde. Die dokumentierten Anschuldigungen erstrecken sich über mehrere Jahrzehnte, von den 1950er bis in die 2000er Jahre, und zu den Opfern gehören Emmaus-Mitarbeiter, Freiwillige und junge Frauen aus Abbé Pierres Umfeld.
Die französischen Bischöfe hatten im September 2023 die Akten über Abbé Pierre freigegeben. Diese Dokumente wären normalerweise bis 2082 im Nationalen Archivzentrum der Kirche von Frankreich versiegelt geblieben.
Hintergrund
Abbé Pierre gründete 1949 die Emmaus-Bewegung in Paris. Vor den jüngsten Anschuldigungen galt er als eine der beliebtesten und bekanntesten Persönlichkeiten der Kirche von Frankreich. Er war vor allem dafür bekannt, dass er sich für die Obdachlosen in Frankreich einsetzte und in den 1950er Jahren das Gesetz „Trève Hivernale“ (Winterruhe) einführte, das noch heute Mieter in den Wintermonaten vor Zwangsräumungen schützt.
Die Ermittlungen gegen Pierre sind ein weiteres wichtiges Kapitel in der umfassenden Aufarbeitung des Missbrauchs durch Geistliche in Frankreich. Im Jahr 2021 legte eine unabhängige Kommission zur Untersuchung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche in einem bahnbrechenden Bericht dar, dass schätzungsweise 330.000 Kinder im Laufe von 70 Jahren von Geistlichen oder der Kirche nahestehenden Personen sexuell missbraucht wurden.
Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.