Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige hat die Gläubigen aufgefordert, sich „mit unseren christlichen Idealen entschieden und mutig in die gegenwärtigen Entwicklungen“ einzumischen. Feige predigte am Sonntag beim Patronatsfest der Kathedrale St. Sebastian. Die Feier diente gleichzeitig dem Wechsel in der Position des Dompropstes von Reinhold Pfafferodt zu Daniel Rudloff.
„Wie verbreitet ist es doch, zu lügen und belogen zu werden, in fast allen Bereichen, auch in der Politik“, sagte der Bischof. „Otto von Bismarck wird das Bonmot zugeschrieben, dass nie so oft gelogen werde wie ‚vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd‘. Vieles spricht dafür, dass totalitäre Staaten ohne systematisches Lügen überhaupt nicht existieren können.“
Aber auch Demokratien seien „nicht gänzlich davon frei“, räumte Feige ein. „Selbst wenn nicht bewusst und dreist in die Irre geführt oder getäuscht werden soll, sind es doch Halbwahrheiten und Vereinfachungen, vage Versprechungen und ausweichende Antworten, die aus strategischen Gründen oftmals eine Rolle spielen.“
Feige führte aus: „Bei einem Teil der Bevölkerung ist das Vertrauen in unser Gesellschaftssystem erschüttert, und so machen Verdächtigungen und Verschwörungen die Runde; von der ‚Corona-Lüge‘ ist die Rede wie von der ‚Impf-Lüge‘, der ‚Asyl-Lüge‘ und der ‚Klima-Lüge‘ oder auch der ‚Lügenpresse‘, je nachdem, welche ‚Wahrheitsvorstellung‘ gerade vertreten wird.“
Die Wahrheit scheine zu einer „Gefühlssache“ verkommen zu sein. „Viele informieren sich inzwischen nicht mehr über öffentlich-rechtliche Medien, sondern alternativ im ‚Social Web‘ in ‚Filter-Blasen‘ und ‚Echo-Kammern‘. Darüber hinaus verbreiten sich auf dramatische Weise immer mehr Unwahrheiten in Form von gezielten Fake News und Desinformationskampagnen, mittlerweile verstärkt durch künstliche Intelligenz – laut Weltwirtschaftsforum eines der größten Bedrohungen der Gegenwart.“
Feige verwies außerdem auf „das verlogene Spiel von sogenannten Parlamentariern, die sich selbst verharmlosend als alternative ‚Saubermänner‘ gebärden, aber über andere hasserfüllt herziehen und letztendlich unsere Demokratie untergraben wollen. Gekrönt wird das noch, wenn Machthaber – egal ob Putin oder Trump – sich als besonders von Gott auserwählt und als Retter ihres Volkes oder als Lichtgestalten im Kampf des Guten gegen das Böse inszenieren, und gewisse kirchliche Vertreter solche Perversionen noch umrahmen.“
Letztlich lebe eine Demokratie indes „nicht von Feindbildern oder einem Rückfall in archaische Verhaltensweisen, sondern von einem engagierten Austausch der Argumente und einer verantwortungsbereiten Zivilcourage“, betonte Feige. „Und hier könnte auch unser Beitrag als Christen und Kirche bestehen, sich mit Herz und Verstand fantasievoll und tatkräftig an den Diskussionen und Entwicklungen zu beteiligen.“
„Überlassen wir unsere Welt nicht Fanatikern und Extremisten, Psychopaten und Oligarchen, Tyrannen und Diktatoren!“, forderte er. „Setzen wir uns vielmehr mit all unseren Kräften und Möglichkeiten für Wahrheit und Gerechtigkeit ein, Solidarität und Nächstenliebe, Anstand und Respekt, ein friedliches Miteinander und die Achtung vor der Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen, egal ob jung oder alt, mit oder ohne Behinderung, bei uns oder anderswo geboren.“