Kardinal Reinhard Marx hat erklärt, man müsse beurteilen, ob „die Entwicklung der Stadt Menschen zusammenführt, Beziehungen ermöglicht, Freundschaften stiftet, Neugierde auf den Weg bringt“. Stadtplanung und Architektur seien auf diese Ziele auszurichten, so der Erzbischof von München und Freising in einer Predigt am Sonntag zum Fest des Münchner Stadtpatrons Benno.
Letztlich könne menschliches Leben nur „in Beziehungen“ gelingen, „im Miteinander“. Demgegenüber dürfe man nicht die Interessen des Einzelnen in den Mittelpunkt stellen. Marx bezeichnete dies ausdrücklich als „Irrweg“.
Als einstiger Professor für Christliche Gesellschaftlehre und Autor eines Buches mit dem Titel „Das Kapital“ – eine Anspielung auf das gleichnamige Werk von Karl Marx – kritisierte der Kardinal den Kapitalismus. Dieser sei auf die Gewinnmaximierung des Einzelnen fokussiert. Stattdessen sei es wichtig, „dass wir uns wieder ganzheitlicher dem Bild des Menschen widmen, dass wir wieder verstehen: Menschliches Leben kann nur gelingen in gelingenden Beziehungen, im Vertrauen, in Freundschaft. Alles andere zerstört menschliches Leben und macht Menschen krank.“
Unter Verweis auf die vor zehn Jahren von Papst Franziskus veröffentlichte Enzyklika Laudato si’ sagte Marx, es gehe darum, welche Städte „Menschen guttun und welche Städte Menschen klein machen, ängstlich machen, aggressiv machen. Das gehört zu den großen sozialethischen, kulturellen, politischen Aufgaben der Zukunft: menschenwürdige Städte“, so Marx.
„Das ist nicht nur eine Aufgabe der Politik oder der Architektur, sondern das ist eine Gesamtaufgabe für alle Menschen, die in einer Stadt leben“, betonte er.
Für die Kirche gehe es, gerade auch am Fest des heiligen Benno, darum, „Netzwerke der Freundschaft, der Beziehungen“ zu knüpfen, „dass wir nicht in unserem kleinen Bereich bleiben“, sondern mithelfen, „dass diese Stadt ein lebenswerter Ort, ein schöner Ort, ein sozial gerechter Ort ist“. Die Pfarreien etwa setzten durch ihren Dienst an Armen, Alten und Kranken ein Zeichen, wie eine Stadt so gestaltet sein könne, „dass Menschen atmen, frei sind, leben können“.
Einst eine faktisch katholische Stadt, leben derzeit nur noch 375.000 Katholiken in München, bei insgesamt mehr als 1,6 Millionen Einwohnen, was weniger als einem Viertel der Bevölkerung entspricht. 2008, als Marx sein Amt als Erzbischof von München und Freising antrat, lag der Katholikenanteil noch bei über 38 Prozent, wie aus Zahlen der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland hervorgeht.
1970, einige Jahre nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils, war München zu über 67 Prozent katholisch. 1933, am Beginn des Hitler-Regimes, bezeichneten sich über 81 Prozent der Menschen in München als Katholiken.