Kirchenhistoriker Mariano Delgado von Fribourg geht in den Ruhestand, übt Kirchenkritik

Kirchenhistoriker Mariano Delgado von Fribourg geht in den Ruhestand, übt Kirchenkritik

Mit dem Vorwurf einer dreifachen „Hybris“ hat laut dem Portal kath.ch der Kirchenhistoriker Mariano Delgado in seiner Abschiedsvorlesung an der Universität Fribourg zentrale Lehraussagen der katholischen Kirche in Frage gestellt. Der 1955 in Spanien geborene Kirchenhistoriker und Direktor des Instituts für das Studium der Religionen und den interreligiösen Dialog hat während seiner akademischen Laufbahn wiederholt kontroverse Positionen bezogen.

Als erste Fehlentwicklung identifizierte er die „Hybris der Heilsausschließlichkeit“, die befeuert worden sei durch eine wörtliche Auslegung des Markus-Verses: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“ Delgado betonte dabei, dass dieser Vers nach Erkenntnissen von Neutestamentlern erst im zweiten Jahrhundert hinzugefügt worden sei und verheerende Folgen in den spanischen und portugiesischen Missionen gehabt habe.

Die zweite Hybris identifizierte er im Missionsrecht, das im Spätmittelalter unter Papst Innozenz IV. formuliert wurde. Dieser Grundsatz besagte, dass die „wahre Religion“ das Recht habe, überall zu missionieren, während anderen Religionen dieses Recht verwehrt bleibe. „So wurde das Missionsrecht zu einer Einbahnstraße zur Missionierung und Europäisierung der Welt“, kritisierte Delgado.

Als dritte Hybris bezeichnete er die Selbstzufriedenheit der Kirche, die im Barock triumphierte, aber mit der Französischen Revolution und den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts einen schweren Fall erlebt habe.

Fundamentalkritik am päpstlichen Jurisdiktionsprimat

Besonders kontrovers äußerte sich Delgado zur Struktur der katholischen Kirche selbst. Er bezeichnete die neuen Töne von Papst Franziskus und seinem Nachfolger Leo XIV. als bloße „Rhetorik“, solange nicht das „Dogma vom Jurisdiktionsprimat des Ersten Vatikanischen Konzils (1870) neuinterpretiert wird“.

Das Dogma vom Jurisdiktionsprimat ist eine der fundamentalen Lehren der katholischen Kirche, wonach der Papst die oberste Lehrgewalt und Jurisdiktion über die gesamte Kirche besitzt.

Kontroverse um die päpstliche Kolonialverantwortung

Ein weiteres Feld, auf dem Delgado kontroverse Positionen bezog, war die Aufarbeitung der päpstlichen Mitverantwortung für den Kolonialismus. Er forderte eine kritische Auseinandersetzung mit päpstlichen Bullen des 15. Jahrhunderts, insbesondere „Dum Diversas“ (1452) und „Romanus Pontifex“ (1455) von Nikolaus V. sowie „Inter Caetera“ (1493) von Alexander VI., die den europäischen Kolonialmächten erlaubten, die „Länder Ungläubiger zu erobern, ihre Bewohnerinnen und Bewohner zu unterwerfen und zu versklaven“.

Delgado bezeichnete diese päpstlichen Dokumente als Teil einer „päpstlich-kurialen Mitverantwortung für die europäische koloniale Expansion“ und kritisierte, dass die Kirche sich dieser Geschichte noch nicht ausreichend gestellt habe.

Theologische Revisionen und Neuinterpretationen

In seiner Abschiedsvorlesung stellte Delgado auch kirchliche Deutungen des Todes Jesu in Frage. Er schlug vor, „von einem Verständnis des Todes Jesu als Opfer zu einer Sicht überzugehen, die Jesus als Märtyrer deutet, als Zeuge eines messianischen Gottes, dessen Wesen die Liebe ist“.

Diese Position stellt eine erhebliche Abweichung von der traditionellen Satisfaktionslehre dar, die den Tod Jesu als Sühneopfer für die Sünden der Menschheit versteht.

Trotz seiner kontroversen Positionen, die er auch in seiner Abschiedsvorlesung formulierte, blieb Delgado als Wissenschaftler anerkannt. Er war von 2010 bis 2012 und erneut von 2019 bis 2022 Dekan der Theologischen Fakultät Fribourg und Mitglied der Theologischen Kommission der Schweizer Bischofskonferenz.

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