Die deutschen Bischöfe haben ein kirchenfinanziertes Themenheft, das die Gender-Ideologie unter dem Schlagwort „Vielfalt sexueller Identitäten“ propagiert, nicht als Ergänzung zu einer offiziellen Orientierungshilfe verabschiedet. Die Zeitschrift Communio berichtete am Donnerstag über das Dokument zum Umgang mit dem Thema Gender in der Schule und dessen Genese.
Das Themenheft „Sichtbar anerkannt: Vielfalt sexueller Identitäten“ wurde von einer Redaktionsgruppe um die Münsteraner Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins und den Essener Weihbischof Ludger Schepers erstellt und sollte als Ergänzung zu einer Orientierungshilfe der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht werden.
Darin äußerte der Dresdener Bischof Heinrich Timmerevers, der Vorsitzende der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), dass es ein „neues Denken“ der Kirche in der „Gender-Frage“ brauche. Durch Begegnungen mit Betroffenen und „anerkannten Wissenschaftlern“ habe er bei dem Thema eine „neue Sensibilität“ entwickelt.
Marianne Heimbach-Steins, Professorin für Christliche Sozialwissenschaften und sozialethische Genderforschung in Münster, kritisierte in dem Heft das kirchliche Lehramt scharf: „Der Abwehrkampf, den das Lehramt gegen ‚Gender‘ und gegen die Anerkennung sexueller Vielfalt führt, konterkariert das Eintreten für die unbedingte Anerkennung der Personenwürde.“
Das Heft sei als Ergänzung zu einer „Orientierungshilfe“ der Deutschen Bischofskonferenz gedacht gewesen. Im Vorwort heißt es, die Beiträge spiegelten „Erträge von drei Fachkonsultationen“ wider, die in den letzten beiden Jahren durchgeführt worden seien.
Diese hätten „einen Prozess der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz“ begleitet, „die im Nachgang des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland eine entsprechende Orientierungshilfe erarbeitet“.
Schepers, der Essener Weihbischof und Mitglied der Redaktionsgruppe, forderte Anfang Mai letzten Jahres sogar eine Änderung der katholischen Sexualmoral: „Queeren Menschen das Menschsein abzusprechen, geht meines Erachtens gar nicht. Die kirchliche Lehre geht aber nach wie vor davon aus, dass es nur Mann und nur Frau gibt.“
Mehrere Insider berichteten nun gegenüber Communio, dass die Diözesanbischöfe beim „Ständigen Rat“ in Berlin über das Dokument diskutierten und entschieden, es in der jetzigen Form nicht zu publizieren. Geplant war dem Vernehmen nach gewesen, das Papier als offizielle Verlautbarung der deutschen Bischöfe zu verabschieden. Der Text soll überarbeitet werden und später möglicherweise in veränderter Form erscheinen.
Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, wollte gegenüber Communio den Vorgang nicht weiter kommentieren und verwies auf „interne Beratungen“.
Kirchliche Haltung zur Gender-Ideologie
In ihren zentralen Lehrdokumenten vertritt die katholische Kirche eine klare und zusammenhängende Lehre zu Sexualität und Ehe, die auf Naturrecht und Offenbarung beruht. Auch der verstorbene Papst Franziskus hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt klar gegen die Gender-Ideologie ausgesprochen und dabei auch Stellung zur angemessenen Sexualerziehung von Kindern bezogen.
Papst Franziskus bezeichnete die Gender-Ideologie im März 2024 als die „hässlichste Gefahr“ der heutigen Zeit. Bei einer Audienz im Vatikan erklärte Franziskus, er habe um Studien über „diese hässliche Ideologie unserer Zeit gebeten, die Unterschiede auslöscht und alles gleichmacht; Unterschiede auslöschen heißt, die Menschlichkeit auslöschen“. Der Papst betonte, dass Mann und Frau in einer fruchtbaren Spannung zueinander stünden, die niemals unterdrückt werden dürfe.
Die Kritik an der Gender-Ideologie durch Papst Franziskus ist nicht neu. Bereits 2016 beklagte er mit Blick auf französische Schulbücher Versuche einer „hinterlistigen Indoktrinierung mit der Gender-Theorie“.
Im April 2024 veröffentlichte das vatikanische Dikasterium für die Glaubenslehre mit päpstlicher Zustimmung die Erklärung Dignitas infinita über die menschliche Würde. Dieses 25-seitige Dokument stellt die bisher umfassendste offizielle Stellungnahme der Kirche zur Gender-Thematik dar.
Das Dokument erklärte, dass die Gender-Ideologie „eine Gesellschaft ohne Geschlechtsunterschiede“ anvisiere und damit „die anthropologische Grundlage der Familie“ eliminiere. Die Kirche lehrt demnach, dass „das menschliche Leben in all seinen Bestandteilen, körperlich und geistig, ein Geschenk Gottes ist, von dem gilt, dass es mit Dankbarkeit angenommen und in den Dienst des Guten gestellt wird“.