Die palästinensische Stadt Taybeh, die östlich von Ramallah liegt und als die letzte vollständig von Christen bewohnte Stadt im Westjordanland bekannt ist, wird immer wieder von israelischen Siedlern angegriffen, die es auf die Bewohner, ihr Eigentum und ihr Ackerland abgesehen haben.
Nach Angaben von ACI MENA, dem arabischsprachigen Nachrichtenpartner von CNA Deutsch, haben Siedler in den letzten Wochen einen neuen Außenposten am östlichen Rand von Taybeh auf den Ruinen eines Bauernhauses errichtet, dessen Besitzer vor etwa einem Jahr vertrieben wurden.
Der Außenposten wurde in einer lebenswichtigen landwirtschaftlichen Zone errichtet, die sich über rund 1.700 Hektar erstreckt und für die Stadt eine wichtige wirtschaftliche Lebensader darstellt. Das Gebiet umfasst Tausende von Olivenbäumen, Geflügel- und Schafzuchtbetriebe sowie weite Felder, auf denen saisonal angebaut wird. Es macht den größten Teil der Gesamtfläche von Taybeh aus, die sich auf rund 2.400 Hektar beläuft.
Angriffe und Übergriffe sind nicht neu. In den Jahren 2019 und 2020 errichteten Siedler ähnliche illegale Außenposten rund um die Stadt, oft begleitet von Brandanschlägen auf Ernten, Diebstahl von Geräten und dem absichtlichen Aussetzen von Vieh auf die Felder, um die Ernten zu zerstören.
Während der letzten Olivenernte wurde den Landwirten zum zweiten Mal in Folge der Zugang zu ihren Feldern in der Nähe der Siedlung Rimmonim verwehrt, die auf konfisziertem Land in Taybeh errichtet wurde, was entweder zum Diebstahl oder zum vollständigen Verderben der Olivenernte führte. Etwa 20 Familien wurden körperlich angegriffen, als sie versuchten, ihr Land zu erreichen.
Pfarrer Bashar Fawadleh von der Christus-Erlöser-Kirche in Taybeh, sagte gegenüber ACI MENA: „Die Stadt, die im Johannesevangelium (11,54) als ‚Ephraim‘ bezeichnet wird – der Ort, an den sich Jesus vor seiner Passion zurückgezogen hat – ist heute für die Menschen nicht mehr sicher. Wir leben nicht in Frieden, sondern in täglicher Angst und Belagerung.“
„Seit Oktober letzten Jahres haben mehr als zehn Familien Taybeh aus Angst vor der anhaltenden Gewalt und den Schikanen verlassen“, fügte er hinzu.
Fawadleh beschrieb weitere durch den Staat Israel auferlegte Einschränkungen: „Neben diesen Angriffen haben die israelischen Behörden Eisentore an den Eingängen der Stadt installiert, wodurch der Zugang der Bewohner zur Arbeit und zu wichtigen Dienstleistungen stark behindert wird. Diese Einschränkungen in Verbindung mit den zunehmenden Beschränkungen in der Landwirtschaft haben die Arbeitslosigkeit verschlimmert und die Wirtschaftskrise vertieft, so dass viele die Auswanderung in Erwägung ziehen.“
„In diesen Tagen weiden die Siedler ihre Kühe auf einem Hügel mit Oliven- und Gerstenfeldern direkt neben den Häusern der Menschen“, sagte er. „Die Einheimischen sehen dies als Teil eines systematischen Versuchs, sie wirtschaftlich zu strangulieren und zu vertreiben.“
Ende Juni griffen Siedler in Kaffr Malik, einer anderen Stadt im Westjordanland in der Nähe von Ramallah, drei Menschen an und töteten sie.
Nach Angaben der BBC hat Israel seit Beginn der Besetzung des Westjordanlandes und Ostjerusalems etwa 160 Siedlungen gebaut. Die israelische Regierung ist zwar anderer Meinung, doch die überwiegende Mehrheit der internationalen Gemeinschaft betrachtet die Siedlungen als illegal im Sinne des Völkerrechts.
Übersetzt und redigiert aus dem Original von ACI MENA, der arabischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.