Bischof Stefan Oster SDB hat am Sonntag deutliche Kritik an der Kirche in Deutschland geübt, als er seine Laudatio auf den US-amerikanischen Bischof Robert Barron hielt, der den Josef-Pieper-Preis der nach dem großen Philosophen benannten Stiftung in Münster erhielt. Barron gehört durch sein Medienapostolat „Word on Fire“ zu den bekanntesten Bischöfen weltweit.
Oster sagte am Sonntag: „Barron ist zuerst ein philosophisch gebildeter, systematischer Theologe, dem es wie wenig anderen gelingt, den Glauben ins Gespräch mit der Kultur der Zeit zu bringen. Und zu diesem Gespräch mit der Kultur gehört bei ihm wie selbstverständlich auch die katholische Soziallehre, die er ebenso verständlich zu erklären vermag wie die anderen Themen.“
Die Preisverleihung an Barron war von manchen Kreisen kritisiert worden, weil man dem US-amerikanischen Bischof eine Nähe zu Präsident Donald Trump unterstellte. Oster ging direkt auf die Vorwürfe ein und betonte, wenn er höre, „wie manche Stimmen in unserem Land versuchen, ihn reflexartig als rechts oder als Anhänger Trumps zu diffamieren, dann erzählt eine solche Einordnung, die in aller Regel sehr schnell geschieht, viel mehr über die urteilende Person und oft genug auch über das System Kirche und ihre medialen Prozesse in unserem Land als über die beurteilte Person selbst“.
„Im Folgenden spitze ich die Dinge etwas zu und meine damit längst nicht alle Erscheinungsformen des Katholischen in unserem Land, aber tatsächlich wohl so etwas wie Mehrheitspositionen unter denen, die noch kirchensteuerzahlende Mitglieder sind oder auch unter denen, die bei kirchlichen Einrichtungen ihr Geld verdienen“, fuhr Oster, der Bischof von Passau, fort. „Atmosphärisch hat sich die so bezeichnete Mehrheit nach meiner Wahrnehmung weitgehend darauf eingestellt, dass in unserer deutschen, katholischen Welt Positionen von Liberalität erreicht worden sind, hinter die ganz viele einfach nicht mehr zurückwollen oder können.“
Dies gelte „in besonderer Weise für die großen anthropologischen Fragen und im Zusammenhang damit für die sehr grundsätzliche Frage nach der sakramentalen Verfassung unserer Kirche“, so Oster, der ähnliche Probleme auch mit Blick auf den deutschen Synodalen Weg mit seinen teils drastischen Reformbestrebungen angemerkt hatte.
„Viele in unserer Kirche haben hier lehramtlich verbindliche Positionen weitgehend hinter sich gelassen“, führte der Passauer Bischof aus. „Und weil es so viele sind, meinen vermutlich ebenso viele, das wäre jetzt im Grunde schon der von den meisten geteilte, neue Katholizismus. Lediglich in Rom oder anderen Teilen der Weltkirche werde das halt noch nicht so gut verstanden wie bei uns.“
Dabei komme einem „dann sehr entgegen, wenn konservative oder auch rechte politische Strömungen und Parteien zum Beispiel familienpolitische Positionen propagieren und instrumentalisieren, die ihren Ursprung eigentlich im Glauben und im Menschenbild unserer Kirche haben; Positionen, für die also wir das Original sind und nicht die schlechtere, politische Kopie, die oft genug nicht mehr ist als oberflächlicher Populismus. Trotzdem lassen sich dann eben solche populistisch instrumentalisierten Positionen gut verwenden, um einen substanziell und intellektuell tief dargelegten Katholizismus schnell mal als ‚rechts‘ zu diffamieren. Einfach weil er einer mehrheitlich geteilten Glaubensauffassung nicht mehr ins Bild passt.“
In Deutschland zeige sich hier „auch sehr schnell ein Charakteristikum von Kirche, in dem vielfach so etwas wie ein meist gut finanzierter Beschwichtigungskatholizismus dominiert, der aber im Wesentlichen seine geistliche Kraft und Anziehung eingebüßt hat. Damit meine ich eine Art von Zugehörigkeit von vielen Katholiken in unserem Land, die sich mit einigen, wesentlichen Aspekten unserer Lehre schwertun oder die sie längst hinter sich gelassen haben – die aber aus anderen Gründen dann doch noch dabei sind.“
Zu diesen Gründen zählte er, dass „die Kirche bei uns am Ende doch ein guter Arbeitgeber ist, bei dem man gut versorgt ist“, aber auch, dass man „ja viel Gutes Soziales“ mache.
„Es gibt jedenfalls auch bei uns viel von dem, was Bischof Barron ‚beige Catholicism‘ nennt, beige hier als Farbe, die nicht allzu leuchtend und damit auch nicht allzu aussagekräftig ist“, schlug Oster den Bogen zurück zu Barron. „Übertragen aufs Glaubensverständnis, ist ‚beiger‘ Katholizismus ein Phänomen, bei dem die herrschende Kultur den Glauben dominiert und ihn sich selbst anpasst. Und zwar ohne dass der Glaube dabei auch in die andere Richtung wirksam wäre. Also ohne ein Glaube zu sein, der mit Wahrhaftigkeit, Überzeugung und Liebe in der Lage ist, seinerseits auch die Kultur zu verändern.“
Auch Josef Pieper hätte, so Oster, einen solchen beigen Katholizismus „zu keiner Zeit verteidigen wollen. In seiner Gesprächsbereitschaft war Pieper offen für jeden Diskurs, in den Grundsätzen seines Glaubens aber ein treuer Mann seiner Kirche. Und gerade darin hat er aus meiner Sicht viel mehr gemeinsam mit dem diesjährigen Preisträger als mit all jenen, die den Pieper-Preis vor Bischof Barron vor allem deshalb in Schutz nehmen wollten, weil sie ihn für nicht mehr vereinbar mit einer mehrheitlich deutschen Form katholischer Glaubensauffassung halten.“
Somit gelte: „So etwas wie neue Evangelisierung hat genau deshalb in unserer spezifisch deutschen Gestalt von Kirche keinen leichten Stand. Sie ist vielen lästig oder verdächtig. Weil aber bei Bischof Barron die ‚new evangelization‘ ins Herz seines gläubigen Engagements gehört, deshalb scheint es für seine Kritiker fast zwingend, dass er ja irgendwie aus der rechten Ecke kommen muss. Wie gesagt: Eine solche Einordnung sagt mehr über den Einordner als über den Eingeordneten.“
