Der in Münster lehrende Dogmatiker Michael Seewald hat sich gegen konservative Kritik an seinem Buch „Dogma im Wandel“ gewehrt und gleichzeitig selbst Kritik geübt an der Theologie des deutschen Synodalen Wegs. Der Prozess, an dem sich die meisten deutschen Bischöfe sowie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken beteiligen, fordert etwa radikale Änderungen an der überlieferten kirchlichen Morallehre sowie die Frauenordination.
„So sehr ich mit vielen einzelnen Anliegen, die auf dem Synodalen Weg vorangetrieben wurden, sympathisiere, so schwer fällt es mir zu glauben, dass die dort vorherrschende Spielart geschichtsentwöhnter und allgemeinplatzorientierter Theologie die Zukunft der Kirche zu prägen vermag“, schrieb Seewald, ein 38-jähriger Priester, in einem Beitrag für die Herder Korrespondenz (aktuelle Ausgabe).
Der Synodale Weg habe sich „für eine andere Begründungslogik der Lehrentwicklung entschieden, als sie in ‚Dogma im Wandel‘ angeboten wird. Der Synodale Weg zeigt ein beachtlich geringes Interesse an der für einen solchen Reformprozess nicht nebensächlichen Frage, wie die instabile Gleichzeitigkeit von Kontinuität und Diskontinuität im Rahmen synodaler Prozesse zu fassen sei.“
Der von den Mitgliedern des Synodalen Wegs verabschiedete „Orientierungstext“ etwa spreche nicht an, wie eine Lehrentwicklung „theologisch verantwortbar gedacht werden und in welchen Formen sich die Lehre fortentwickeln kann“. So gelte: „Er will Dogmenentwicklung betreiben, aber nicht über Dogmenentwicklung nachdenken.“
Die Tradition schreite voran, erklärte Seewald, und habe dabei „unterschiedliche Schrittmacher“, nämlich dem Zweiten Vatikanischen Konzil zufolge den Heiligen Geist, die Gläubigen und die Bischöfe. Aber: „Je stärker der Geist als Garant der Rechtmäßigkeit bestimmter Entwicklungen herangezogen wird, desto drängender wird es ekklesiologisch, Strategien der Verschleierung anzuwenden, wenn diese Entwicklungen selbst noch einmal Gegenstand einer Entwicklung werden (da der Geist, der in der Gegenwart für die Rechtmäßigkeit einer Entwicklung bürgt, sich in der Vergangenheit kaum getäuscht haben kann).“
Das Zusammenspiel von Gläubigen und Bischöfen bringe mit sich „Spannungen zwischen intellektuellen Betrachtungsweisen, spirituellen Zugängen und amtlichen Verkündigungsakten“. Hierbei gelte: „Es gibt verfehlte Formen von Intellektualität und pathologische Ausprägungen von Spiritualität, denen gegenüber die Unaufgeregtheit amtlicher Verkündigung wohltuend und korrigierend wirken kann. Umgekehrt gibt es verfehlte Weisen, das Evangelium amtlich zu verkünden.“
Seewald hatte in der Vergangenheit für Aufsehen gesorgt, als er etwa die Kölner Hochschule für Katholische Theologie, die in Deutschland als vergleichsweise konservativ gilt, scharf kritisierte und demgegenüber die Theologie an staatlichen Universitäten lobte.
In den meisten Ländern ist die Theologie nicht an staatlichen Universitäten beheimatet. Umgekehrt existieren aber, beispielsweise in den USA, viele katholische Universitäten, die neben Theologie auch andere Fächer anbieten.
Auch Papst Benedikt XVI. kam bei Seewald nicht gut weg. „Ratzinger war vor allem ein Meister des Aufsatzes, also der kleinen, fast essayistischen Form“, sagte Seewald kurz nach dessen Tod. „Als Leser versteht man sofort das Problem, um das es ihm geht. Man bekommt auch schön formulierte Lösungen geboten, bemerkt aber manchmal die darunter liegenden Untiefen oder Abgründe nicht mehr. Die Konsequenzen von Ratzingers blumigen Ausführungen konnten oft dornig und schroff sein.“
Über das Zusammenspiel von Glaube und Vernunft im Werk von Joseph Ratzinger sagte Seewald, ihm sei „keine Stelle aufgefallen, wo die Vernunft sich dazu hätte aufschwingen dürfen, bestimmte Zustände in der Kirche oder gar die Lehre der Kirche zu kritisieren. Glaube und Vernunft waren für ihn immer in einem harmonischen Verhältnis, dessen Regeln aber von der Lehre – und das heißt auch: dem Lehramt – der Kirche bestimmt wurden.“
