Die Christkönigs-Enzyklika „Quas primas“ von Papst Pius XI. und das Christkönigsfest feiern in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Bei der Internationalen Theologischen Sommerakademie im österreichischen Aigen, veranstaltet von der Kardinal-Scheffczyk-Gesellschaft und dem Linzer Priesterkreis, wurde jetzt an deren Verkündigung im Jahr 1925 erinnert.
Lothar Wehr, der emeritierte Ordinarius für Neues Testament an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, hob bei der Beschreibung des Königtums Christi im Neuen Testament die Kreuzesinschrift hervor, die in allen vier Evangelien erwähnt wird. Darin wird Jesus als der „König der Juden“ bezeichnet. „Gott thront nicht einfach über der Welt und fern von der Welt. Gott übt seine Herrschaft vielmehr in der Welt aus. Es handelt sich um ein dynamisches Königtum, das in der Verkündigung Jesu in Wort und Tat erfahrbar wird“, sagte Wehr.
„Die Königsherrschaft Gottes erwartete man im Judentum eigentlich erst in der Zukunft. Jesus verkündet demgegenüber: Die Herrschaft Gottes beginnt jetzt schon“, erläuterte er. „In der Gegenwart geschehen durch Gott Wunder: Heilungen, Heilungen am Sabbat, Dämonenaustreibungen. Es kommt zu einer neuen Auslegung des jüdischen Gesetzes.“
Dem Leser der Evangelien soll, so Wehr, deutlich werden: Jesus ist in der Tat ein König, aber kein politischer König. Er ist als König der verheißene Messias, der Nachkomme Davids, der Sohn Gottes. Der Neutestamentler beschrieb detailliert den Prozess Jesu vor Pilatus mit den Machtspielen zwischen den Anklägern und dem römischen Statthalter, der sich drei Mal von der Unschuld Jesu überzeugt zeigte und ihn dennoch verurteilte. „Bist du der König der Juden?“, fragte Pilatus. Jesus antwortete: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.“ – „Also bist du doch ein König?“ – „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“
Die Dornenkrone wird ihm aufgesetzt, das purpurfarbenes Gewand ist Kennzeichen des Kaisers. So erscheint Jesus als Spottkönig vor den Juden. „Jesus erweist sich gerade in der Erniedrigung als der wahre König“, erklärte Wehr.
Die Hohepriester antworteten: „Wir haben keinen König außer dem Kaiser.“ Das war geheuchelt, denn der römische Kaiser war bei den Juden verhasst. Damit verleugneten sie laut Wehr „ihre Überzeugungen – allein aus dem Grund, Jesus loszuwerden“. Aber Pilatus ließ eine Tafel anfertigen und oben am Kreuz befestigen, deren Inschrift lautete: „Jesus von Nazaret, der König der Juden. – Diese Tafel lasen viele Juden.“
Jesus wurde in der Mitte gekreuzigt. Er hatte den Ehrenplatz und stand im Mittelpunkt. Der wahre König sei Jesus, so der Referent, auch wenn er äußerlich machtlos wirkte. Die Verehrung Christi als König stärke den Glauben an die Macht Christi. Christus sei keinesfalls der „ohnmächtige Gott“.
Nach dem Untergang der meisten Monarchien nach dem Ersten Weltkrieg habe Papst Pius XI. das Christkönigsfest 1925 eingeführt und damit deutlich gemacht: Der einzig wahre König ist Christus. „Vordergründig hat er die Welt verlassen. Im Glauben wissen wir aber, dass er als Herr der Welt die Menschheit vom Himmel her unsichtbar, aber wirksam führt und beschützt. Christus, der wahre König, begleitet uns. Er gibt uns die Wertmaßstäbe an die Hand, an denen wir uns orientieren sollen, damit das menschliche Leben in dieser Welt gelingt. Er hat uns gesagt, was gut und böse ist, wie wir uns anderen gegenüber verhalten sollen, worauf es im Miteinander ankommt.“ Als König sei er kein Tyrann, der blinden Gehorsam verlange. Er gebe den Menschen vielmehr den Raum zur verantwortlichen Gestaltung dieser Welt.
Stärkung in der Ära des Nationalsozialismus
Pater Bernward Deneke FSSP, der Subregens im Priesterseminar St. Petrus in Wigratzbad, berichtete bei der Tagung in Aigen über den besonderen Erfolg der Christkönigsverehrung in der katholischen Jugend in der Ära des Nationalsozialismus in Deutschland: „Damals wirkte sie sich vereinigend gegen die nationalsozialistischen Ansprüche aus.“ Gläubige Katholiken hätten sich darum bemüht, das Reich Jesu Christi zunächst durch die Gnade im eigenen Herzen errichten zu lassen, um es dann auch durch Zeugnis und Tat in die Welt zu tragen. Nach dem Krieg sei die Bewegung allerdings bald verebbt.
Scheffczyk: Königstitel betont etwas einzigartig Auszeichnendes
Pater Johannes Nebel FSO, der Leiter des Leo-Scheffczyk-Zentrums in Bregenz, wies in seinem Vortrag in Aigen auf Kardinal Leo Scheffczyk hin, dem es nicht genügt habe, es bei Christus als dem „Guten Hirten“ zu belassen und auf den Königstitel zu verzichten, auch wenn beide Titel „in den Inhalten weitgehend deckungsgleich“ seien. Hirten könnten viele sein, aber das Königtum könne nur einem zukommen. Der Königstitel betonte für Scheffczyk „etwas einzigartig Auszeichnendes“.
Nebel betonte, das Königtum Christi bilde eine argumentative Verbindung mit Christi göttlicher Sendung zur Bezeugung der göttlichen Wahrheit. „Mission“, so habe Leo Scheffczyk hervorgehoben, „ist für die Kirche jenes Lebensgeschehen, in dem sie, von Christus befähigt und in Pflicht genommen, seine Wahrheit und sein Leben weitergibt“. Christkönig sei nicht nur „erste Wirkursache“ und „letzte Zielursache“ der Mission, sondern auch „die Vorbild- und die Formursache“.
Der christkönigliche Stil kirchlicher Mission sei gekennzeichnet durch Freiheit und entsage dem Zwang, er sei geprägt von der Liebe als „Kraft innerer Anziehung“, von der „Wahrheit, die durch ihren inneren Reichtum überzeugt“ und so den Irrtum überwinde. Mit der Einführung des neuen liturgischen Festes zur Entfaltung des Christkönigsgeheimnisses habe der Papst vor hundert Jahren auf den Laizismus reagiert, auf eine Fülle an Geistesströmungen, die der Ausbreitung des Evangeliums entgegenstanden. „Was Pius XI. mit dem Christkönigsfest damals beabsichtigte, ist eine umfassende geistige Konfrontation, die zeitlos gültig bleibt“, betonte Nebel. Im Christkönigsfest habe der Papst den Angelpunkt zu einem neuen öffentlichen Christusbekenntnis erblickt.
Die Enzyklika „Quas primas“ fordere den Gläubigen auf, sich den geoffenbarten Wahrheiten, den Lehren Christi fest und beständig zu unterwerfen. Christus solle herrschen über den Willen, die Gefühle und das Herz des Menschen, der Gott über alles lieben solle.
„Wie aktualisieren wir die Botschaft von ‚Quas primas‘ nun anhand heutiger Zeitumstände?“, fragte Nebel. Die Digitalisierung eröffne viele positive Möglichkeiten, nicht nur ein „beständiges Vollbad pausenloser Überinformation“. Die technisch geprägte Lebenswelt und Zivilisation bewirke den Eindruck: Alles ist dazu da, um zu funktionieren. Das könne dazu verleiten, die Seelenkräfte nicht mehr auszubilden: „Liebe, Hoffnung, Freude, Mut, Empathie und vieles andere verkümmern in uns inmitten der funktionierenden Welt.“
Das betreffe, was man als „Person“ bezeichne und berühre die Schwäche vieler heutiger Menschen, Entscheidungen zu treffen, verbindlich und zuverlässig zu sein, aus eigenem Gespür für Verantwortung auch praktischen Verantwortungssinn zu entwickeln. „Die heutige Globalisierung ent-wurzelt uns – kulturell, aber auch personal“, sagte Nebel. Darauf habe der Papst vor 100 Jahren mit seinem Lehrschreiben geantwortet: „Was könnte man Freudigeres und Schöneres denken, als dass Christus nicht bloß kraft seines angeborenen, sondern auch kraft seines erworbenen Rechtes über uns herrscht?“
Dieses „erworbene Recht Jesu Christi“ beruhe darauf, dass er durch Kreuz und Auferstehung die ganze Welt vom Bösen erlöst habe. In einer Welt des Überflusses gelte: Wer die Wahl hat, hat die Qual. „Aber quälen lassen wir uns nicht. Deshalb unterwerfen wir uns der Macht unserer subjektiven Gefühle. Das Gefühl bestimmt die Wahl – dann haben wir keine Qual mehr. Dies aber betäubt in uns die Fähigkeit, zwischen Gefühl und Gewissen zu unterscheiden“, analysierte der Priester.
Der Konsumismus müsse von einer anderen Macht gebrochen werden. Zu dessen Kehrseite gehöre die totale Ausblendung der „Letzten Dinge“. Diese zu ignorieren sei einfacher, als auf andere Menschen „weltfern“ zu wirken. Das „weltnahe“ Christentum sei zur heiligen Kuh geworden. Darin verkümmere aber die Bedeutung des Christentums zu unverbindlicher Lebenshilfe. „Vor Christus, dem König, lebt unser Gewissen inmitten unserer Gefühle auf.“ Der unerbittliche Ruf, dem Gewissen Folge zu leisten, werde in uns besonders durch den Ruf Christi, des Königs, wachgehalten.
Worauf es ankomme, sei die unlösliche Verkettung von irdischem und himmlischem Reich Christi: „Beides zusammen ist ein einziges Reich!“ Wer zum Reich Christi auf Erden gehören wolle, der müsse sich nach jenem Königsrecht verhalten, das im himmlischen Reich definitiv durchgesetzt werde. So werde der Anspruch des Himmels mitten auf die Erde gestellt.
Der Säkularismus suggeriere Christen unaufhörlich ihre Irrelevanz. Denn die in den Massenmedien betonten gegenwärtigen Hauptideale Sozialverhalten und Toleranz bedürften angeblich keines religiösen Überbaus. „Tatsächlich erleben wir Christen den Sinn des Christseins heute kaum als Zugkraft moderner Gesellschaftsentwicklung, sondern vor allem dort, wo das ‚Funktionieren‘ der modernen Zivilisation brüchig wird, wo Nöte und Krisen auftreten.“
Dazu zitierte Johannes Nebel aus „Quas primas“: „Dieser Missstand ist vielleicht der Gleichgültigkeit und Furchtsamkeit der Guten zuzuschreiben, die des Kampfes sich enthalten oder nur schwachen Widerstand leisten. Dadurch werden aber die Feinde der Kirche umso unverfrorener und verwegener. Wenn aber einmal alle Gläubigen einsehen, dass sie unter dem Feldzeichen des Christkönigs mit Mut und Ausdauer kämpfen müssen, dann werden sie doch mit apostolischem Eifer danach trachten, die entfremdeten und unwissenden Seelen zum Herrn zurückzuführen.“
Der Leiter des Leo-Scheffczyk-Zentrums in Bregenz folgerte: „Was öffentlich zurückgewiesen wird, das garantiert Christkönig uns: Er ist noch öffentlicher als die Öffentlichkeit der Welt, denn sein Recht geht über alles weltliche Recht. Es ist ein Glaubensstandpunkt, der von der Welt nicht anfechtbar ist. Das ist der Mut zum Ganzen, zum Großen, was uns Christus aufträgt.“ Er forderte auf, demütig zu bleiben, aber nicht kleinmütig.
