Angesichts der geplanten Aufrüstung der Bundeswehr und mit Blick auf den Ukraine-Krieg gewinnt auch die Militärseelsorge wieder an Bedeutung. Mit dem Wehrdienst-Modernisierungsgesetz vollzieht Deutschland ab 2026 einen markanten Wendepunkt in seiner Verteidigungspolitik, wobei die Zahl der Soldaten deutlich steigen soll. Damit stellt sich auch die Frage, wie die seelsorgerische Betreuung innerhalb der Streitkräfte künftig gewährleistet werden kann.
Zugleich zeigt sich bei internationalen Begegnungen wie der Soldatenwallfahrt nach Tschenstochau, dass die Militärseelsorge nicht nur nationale Aufgaben erfüllt, sondern in enger Gemeinschaft mit anderen Nationen eine spirituelle Dimension entfaltet.
Ab Juli 2027 wird die verpflichtende Musterung für alle jungen Männer eines Jahrgangs wieder eingeführt. Verteidigungsminister Boris Pistorius plant eine Aufstockung der Bundeswehr um bis zu 60.000 Soldaten. Somit könnte sich die Gesamtstärke von derzeit rund 180.000 auf bis zu 240.000 erhöhen.
Die deutsche Militärseelsorge umfasst derzeit etwa 200 Militärgeistliche, die sich auf protestantische, katholische und seit 2021 auch jüdische Seelsorge verteilen. Rund 78 katholische Militärpfarrer betreuen die Soldaten und ihre Familien.
Besonders ist die Stellung der Militärseelsorge, da die Militärbischöfe und Militärgeistlichen außerhalb der Kommandostruktur der Bundeswehr stehen. Sie haben keinen Dienstgrad und sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dadurch können sich Soldaten ohne Befürchtung von Konsequenzen an sie wenden.
Wandel in der Militärseelsorge
Angesichts des geplanten Aufrüstung forderte der protestantische Militärbischof Bernhard Felmberg mehr Stellen für die Militärseelsorge: „Wir müssen versuchen, mit der Truppe mitzuwachsen.“ Das Bundesverteidigungsministerium hat bereits fünf neue Stellen für den neuen Standort in Vilnius bewilligt.
Zudem stellt die zunehmende Säkularisierung der Truppe die Militärseelsorge vor neue Herausforderungen, da inzwischen fast die Hälfte der Soldaten konfessionslos ist.
Dennoch berichtete Felmberg von einer großen Nachfrage nach seelsorgerlichen Angeboten und einer sehr geringen Rate von Kirchenaustritten bei Bundeswehrangehörigen. „Die Militärseelsorge hat enorm viel Zulauf“, erklärte der protestantische Militärbischof.
Felmberg arbeitet wegen der veränderten Sicherheitslage an einem „Geistlichen Operationsplan Deutschland“, der die seelsorgerliche Betreuung im Verteidigungsfall regeln soll.
„Wir müssen auf den Ernstfall, den Angriff auf einen Nato-Mitgliedstaat, vorbereitet sein, auch wenn er hoffentlich nie eintrifft“, erklärte er.
Dieser Plan sieht eine enge Zusammenarbeit mit der Notfallseelsorge, der Krankenhausseelsorge und den Gemeinden vor Ort vor. Konkret geht es um Fragen wie: „Wer begleitet die Verwundeten? Wer begleitet die Offiziere bei der Überbringung von Todesnachrichten?“
Internationale Wallfahrten als Zeichen der Versöhnung
Besonders bei internationalen Wallfahrten zeigt sich die Militärseelsorge einem größeren Publikum. Herausragendes Beispiel ist die Soldatenwallfahrt nach Tschenstochau, bei der deutsche Soldaten gemeinsam mit Kameraden aus Polen, Litauen, der Slowakei, den USA und anderen Nationen 300 Kilometer zu Fuß zur Schwarzen Madonna pilgern, wie die katholische Wochenzeitung „Die Tagespost“ berichtete.
„Alle sind zu einer großen Familie geworden, man spricht sich mit Bruder und Schwester an, teilt die gleichen Strapazen und Freuden“, berichtete Militärpfarrer Szeliga von seinen Erfahrungen.
Weiterhin gibt es die internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes, die seit 1958 jährlich stattfindet und über 17.000 Soldaten aus etwa 40 Nationen versammelt. Unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ fand in diesem Jahr die Wallfahrt statt, die den Friedenscharakter dieser Begegnungen unterstrich. Aus Deutschland nehmen jährlich etwa 500 bis 800 Soldaten teil.
Ihre Wurzeln haben diese Wallfahrten in der Versöhnungsarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Französische und deutsche Militärseelsorger initiierten die internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes, um ein Zeichen der Aussöhnung zwischen den ehemals verfeindeten Nationen zu setzen.
