Papst Leo XIV. hat im Interview mit dem Portal „Crux“ die in Deutschland eingeführten Rituale zur Segnung homosexueller Verbindungen als Widerspruch zur vatikanischen Erklärung Fiducia supplicans scharf kritisiert und warnte zugleich vor einer zunehmenden Polarisierung rund um die alte Messe. Eine Änderung der katholischen Lehre bezüglich Homosexualität schloss der Papst aus.
Mit Blick auf Entwicklungen in nordeuropäischen Ländern sagte Leo XIV.: „In Nordeuropa veröffentlichen sie bereits Rituale zur Segnung von ‚Menschen, die einander lieben‘, so drücken sie es aus, was ausdrücklich gegen das Dokument verstößt, das Papst Franziskus gebilligt hat, Fiducia supplicans, das im Grunde genommen besagt, dass wir natürlich alle Menschen segnen können, aber es sucht nicht nach einer Möglichkeit, eine Art Segnung zu ritualisieren, weil das nicht der Lehre der Kirche entspricht.“
Fiducia supplicans hatte „Segnungen von Paaren in irregulären Situationen und gleichgeschlechtlichen Paaren“ unter bestimmten Umständen ausdrücklich erlaubt, was zahlreiche Bischöfe in der ganzen Welt zurückwiesen, besonders die für ganz Afrika zuständige Bischofskonferenz.
Mit Blick auf die aktuelle Debatte betonte Leo, das bedeute nicht, dass betroffene Personen „schlechte Menschen“ seien, vielmehr gehe es darum, wie Christen mit Unterschieden respektvoll umgehen.
Die im April 2025 in Deutschland veröffentlichte Handreichung „Segen gibt der Liebe Kraft“ sorgte in der katholischen Kirche Deutschlands für tiefe Spannungen, wie CNA Deutsch berichtete. Während einige Diözesen die von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erarbeiteten Leitlinien umsetzen, lehnen andere sie unter Verweis auf das vatikanische Dokument Fiducia supplicans strikt ab.
Nach Recherchen von katholisch.de wenden inzwischen mehr als die Hälfte der 27 deutschen Bistümer die Handreichung zumindest in Teilen an. Elf Diözesen – darunter Limburg, Osnabrück und Trier – haben die Leitlinien offiziell übernommen oder sich klar positiv geäußert. Andere, wie Essen, Rottenburg-Stuttgart, Dresden-Meißen und Hildesheim, unterstützen die Praxis ebenfalls.
Während einige Befürworter darin ein Signal der Anerkennung sehen, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit der vatikanischen Linie. Leo XIV. warnte in diesem Zusammenhang vor einer „Fixierung“ westlicher Gesellschaften auf Sexualität. Dabei zitierte er einen Kardinal aus dem östlichen Teil der Kirche: „Die westliche Welt ist fixiert und besessen von Sexualität.“
Weiter erklärte der Papst: „Für manche Menschen dreht sich die Identität eines Menschen ausschließlich um die sexuelle Identität, während dies für viele Menschen in anderen Teilen der Welt kein vorrangiges Thema im Hinblick darauf ist, wie wir miteinander umgehen sollten.“
Er wiederholte zugleich den Ansatz seines Vorgängers Franziskus: „Alle sind eingeladen, aber ich lade eine Person nicht deshalb ein, weil sie einer bestimmten Identität angehört oder nicht. Ich lade eine Person ein, weil sie Sohn oder Tochter Gottes ist.“
Änderungen in der kirchlichen Lehre schloss er aus: „Ich halte es für höchst unwahrscheinlich, zumindest in naher Zukunft, dass sich die Lehre der Kirche in Bezug auf das, was sie über Sexualität und über die Ehe lehrt, ändern wird.“
Einen weiteren Schwerpunkt setzte Leo XIV. in dem Gespräch beim Thema Liturgie. Dabei ging er direkt auf Spannungen rund um die traditionelle, tridentinische Messe ein, die jahrhundertelang bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gefeiert wurde.
Papst Franziskus hatte 2021 mit dem Motuproprio Traditionis custodes die Feier der traditionellen lateinischen Messe erheblich eingeschränkt und die Entscheidung über deren Zulassung in die Hände der Diözesanbischöfe gelegt, dabei die eigentliche Macht aber in Rom situiert. Die Maßnahme war eine deutliche Kehrtwende gegenüber Papst Benedikt XVI., der 2007 mit Summorum Pontificum die Regelungen für die traditionelle Messe liberalisiert hatte.
„Die Leute sagen immer ‚die lateinische Messe‘. Nun, man kann die Messe auch jetzt auf Latein feiern. Wenn es der Ritus des Zweiten Vatikanums ist, gibt es kein Problem. Offensichtlich, zwischen der tridentinischen Messe und der Messe des Zweiten Vatikanums, der Messe Pauls VI., weiß ich nicht, wohin das führen wird. Es ist ganz klar sehr kompliziert“, so der Papst.
Er hob hervor, dass der Streit um die alte Messe längst über die liturgische Ebene hinausgehe: „Ich weiß, dass ein Teil dieses Problems leider – wiederum als Teil eines Polarisierungsprozesses – darin besteht, dass Menschen die Liturgie als Vorwand benutzt haben, um andere Themen voranzutreiben. Sie ist zu einem politischen Instrument geworden, und das ist sehr bedauerlich.“
Zugleich äußerte er Verständnis für jene Gläubigen, die in der überlieferten Liturgie eine tiefere geistliche Erfahrung suchen: „Der – sagen wir – ‚Missbrauch‘ der Liturgie dessen, was wir die Messe des Zweiten Vatikanums nennen, war für Menschen nicht hilfreich, die nach einer tieferen Erfahrung des Gebets gesucht haben, nach einer Berührung mit dem Geheimnis des Glaubens, die sie in der Feier der tridentinischen Messe zu finden schienen.“
Allerdings warnte er vor einer Verhärtung der Fronten: „Anstatt sagen zu können: Nun, wenn wir die Liturgie des Zweiten Vatikanums in rechter Weise feiern, findet man dann wirklich so viel Unterschied zwischen dieser Erfahrung und jener Erfahrung?“
Bislang habe er noch nicht mit den Befürwortern des alten Ritus persönlich sprechen können, dies solle aber bald geschehen. Er betonte: „Dieses Thema ist mittlerweile so polarisiert, dass die Menschen oft nicht bereit sind, einander zuzuhören. Ich habe Bischöfe gehört, die mit mir darüber gesprochen haben und sagten: ‚Wir haben sie zu diesem und jenem eingeladen, aber sie wollen einfach nicht zuhören.‘ Sie wollen nicht einmal darüber reden. Das ist an sich schon ein Problem.“
