Qumran-Schriftrollen älter als gedacht? Neue Datierung mit künstlicher Intelligenz

Qumran-Schriftrollen älter als gedacht? Neue Datierung mit künstlicher Intelligenz

Die berühmten Schriftrollen von Qumran könnten deutlich älter sein als bisher angenommen. Ein Forscherteam der Universität Groningen hat mithilfe von Radiokarbondatierung und künstlicher Intelligenz (KI) überraschende Neudatierungen mehrerer Fragmente vorgenommen, darunter Teile aus den Büchern Daniel und Kohelet. Durch diese Neudatierung rücken die Schriftrollen zeitlich näher an die mutmaßliche Entstehungszeit der biblischen Texte heran.

Professor Mladen Popović und sein Team haben das KI-System „Enoch“ entwickelt, benannt nach der biblischen Figur. Das Programm kombiniert erstmals Radiokarbondatierung mit einer auf maschinellem Lernen basierenden Analyse von Schriftmerkmalen.

Die Forscher trainierten das System zunächst mit 24 radiokarbondatierten Fragmenten und analysierten dabei geometrische Details der Handschriften wie Kurven, Winkel und Tintenspur-Muster.

Mithilfe des neuronalen Netzwerks BiNet, das zuvor zur Erkennung handschriftlicher Tuschespuren entwickelt wurde, ist eine präzise geometrische Formanalyse sowohl auf der Mikroebene der Tintenspur als auch auf der Ebene der Zeichenformen möglich. Diese quantitative und empirische Grundlage für die Stilanalyse von Handschriften kann die traditionelle Paläographie nicht bieten.

Durch die Kombination aus Radiokarbondatierung und KI-Analyse wird eine Genauigkeit von plus/minus 30 Jahren erreicht. Dies ist sogar präziser als die Ergebnisse der Radiokarbondatierung im Zeitraum von 300 bis 50 v. Chr.

Verblüffende Ergebnisse: Texte älter als vermutet

Die KI-Analyse von 135 bisher undatierten Qumran-Fragmenten führte zu erstaunlichen Ergebnissen. In 79 Prozent der Fälle stimmte das System mit den Einschätzungen von Paläographie-Experten überein. Besonders bemerkenswert ist jedoch, dass „Enoch” systematisch ältere Datierungen vorschlug als die traditionelle Handschriftanalyse.

Das Fragment 4Q114, das Teile des Buches Daniel enthält, wurde von der traditionellen Paläographie auf etwa 160 v. Chr. datiert. Die neue KI-gestützte Analyse legt jedoch nahe, dass es bereits zwischen 230 und 160 v. Chr. entstanden sein könnte. Dies würde bedeuten, dass das Fragment aus der Zeit stammt, als vermutlich die letzten Kapitel des Buches Daniel verfasst wurden.

Ebenfalls spektakulär ist die Neudatierung des Fragments 4Q109, das Zeilen des Buchs Kohelet (Prediger) enthält. „Enoch“ datiert dieses Fragment ins dritte Jahrhundert vor Christus, was ebenfalls nahe an der vermuteten Entstehungszeit der biblischen Schrift liegt.

Erste bekannte alttestamentliche „Erstausgaben“

Die Forschungsergebnisse, die in der Fachzeitschrift „PLOS One“ veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass es sich bei den beiden Fragmenten 4Q114 und 4Q109 um die ersten bekannten alttestamentlichen Schriftstücke handeln könnte, die tatsächlich aus der Entstehungszeit der betreffenden biblischen Bücher stammen.

„Mit dem Enoch-Tool haben wir eine neue Tür in die antike Welt geöffnet, wie eine Zeitmaschine, die es uns ermöglicht, die Hände zu studieren, die die Bibel geschrieben haben, insbesondere jetzt, da wir zum ersten Mal festgestellt haben, dass zwei Fragmente biblischer Schriftrollen aus der Zeit ihrer mutmaßlichen Autoren stammen“, so die Autoren.

Professor Kaare Lund Rasmussen von der Universität Süddänemark, der an der Studie beteiligt war, bezeichnete dies als „wahrscheinlich das unerwartetste Ergebnis – dass zwei der Texte sich als ‚Erstausgaben‘ herausstellten“.

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