Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat zu seinem 40-jährigen Priesterjubiläum einen Bruch mit kirchlichen Traditionen und Lehren gefordert: Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprach er sich für die Aufhebung des Pflichtzölibats aus und befürwortet die Weihe von Frauen zu Diakonen.
„Ich plädiere dafür, den Pflichtzölibat als Bedingung für den Priesterberuf aufzuheben“, sagte Wiesemann. Der Zölibat sei weiterhin eine „wichtige geistliche Lebensform“, die die Hingabe an Christus und die Kirche verdeutliche, doch gebe es seiner Ansicht nach auch andere Wege, diese Hingabe zu leben: „Das geht auch in einer Ehe und kann darin noch einmal andere Aspekte zum Leuchten bringen.“
Der Zölibat bedeutet die verpflichtende Ehelosigkeit von Weltpriestern im lateinischen Ritus. Er ist kirchenrechtlich vorgeschrieben, aber nicht dogmatisch begründet. Das heißt: Der Zölibat gilt nicht als unaufgebbares Glaubensgut, sondern als disziplinarische Regel, die die Kirche grundsätzlich ändern könnte.
Theologisch versteht die Kirche den Zölibat als Zeichen der ungeteilten Hingabe an Christus und die Kirche sowie als Ausdruck der eschatologischen Hoffnung, also der Ausrichtung auf das kommende Reich Gottes.
Konkrete Vorschläge formulierte der Bischof ebenfalls. „Die ausschließliche Verbindung von Priesteramt und Zölibat müsste aufgehoben werden“, erklärte er. Mit Blick auf Ordensgemeinschaften verwies er auf die Praxis zeitlicher Gelübde, die erst nach einer Reifezeit in ewige Verpflichtungen münden.
„Wir erleben ja, dass die Probleme im priesterlichen Leben häufig erst nach fünf bis zehn Jahren einsetzen“, betonte er. Deshalb könne eine spätere Entscheidung über die Lebensform die Glaubwürdigkeit des Zölibats sogar erhöhen.
Tatsächlich müssen Priester, der Heiligen Schrift gemäß, schon vor ihrer Weihe ehelos leben, genau wie jede Person, die heiratet, vor der Ehe auch ehelos gelebt hat, also ohne sexuelle Beziehung zu einer anderen Person.
Auf die Frage, ob katholische Priester künftig auch im Ehestand ihr Amt ausüben sollten, antwortete Wiesemann: „Ja. Der Zölibat sollte nicht absolut an die Ausübung des Priesterberufes gekoppelt sein.“ Einzelne Ortskirchen wie die deutsche Kirche könnten nach seiner Vorstellung einen eigenen Weg einschlagen.
Als Grund nannte er den Verlust vieler geeigneter Kandidaten: „Wir verzeichnen einen Verlust vieler sehr guter Leute, die den Zölibat nicht leben können oder wollen. Und wir verlieren ebenso viele gute Leute, die sich wegen des Zölibats erst gar nicht für den Priesterberuf entscheiden.“
Auch bei der Frage der Frauenordination positionierte sich der Bischof eindeutig. Auf die Nachfrage, ob er dafür plädiere, Frauen möglichst bald zu Diakonen zu weihen, sagte er knapp: „Ja.“ Eine eigenmächtige Weihe werde er zwar nicht vollziehen, da sie außerhalb des geltenden Kirchenrechts stünde. Dennoch sei es Aufgabe der Kirche, die Debatte weiterzuführen: „Ich stelle mich nicht außerhalb, sondern ich versuche, innerhalb der Kirche etwas zu bewegen.“
Papst Johannes Paul II. hatte die Frauenweihe in seinem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis von 1994 unter Berufung auf die überlieferte Lehre der Kirche verbindlich ausgeschlossen. Damals betonte er, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“.
Die drei Weihegrade – Diakonat, Priesteramt und Bischofsamt – sind im einen Weihesakrament miteinander verbunden, wobei die Weihe aufgrund der Tradition, des Vorbildes Christi und der beständigen Praxis der Kirche nur Männern vorbehalten ist. Die Weihe von Frauen zu Diakonen müsste also automatisch auch bedeuten, dass die Priester und Bischöfe werden könnten.
Eine theologische Begründung für den Ausschluss von Frauen aus dem Weiheamt hielt Wiesemann nicht mehr für tragfähig: „Das theologische Argument, um Frauen absolut auszuschließen vom Weiheamt, hat nach meiner Auffassung stark an Überzeugungskraft eingebüßt. Es gibt kein absolutes theologisches Argument gegen die Weihe von Frauen.“
Mit Blick auf den kirchlichen Auftrag hob er hervor: „Wir glauben ja an die Menschwerdung Gottes, nicht an die Mannwerdung Gottes. Gott ist Mensch geworden, nicht Mann.“
Abschließend warnte er vor dogmatischer Selbstgewissheit: „Nur in der eigenen Blase zu bleiben. Für alle Dinge gleich eine Erklärung zu haben nach dem Motto: Gott will das so und nicht anders“, sei eine Gefahr.
