Mit deutlichen Worten hat Kardinal Gerhard Müller die im Heiligen Jahr 2025 erstmals offiziell anerkannte LGBT-Wallfahrt nach Rom scharf kritisiert. Der emeritierte Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre warnte in einem Gespräch mit der italienischen Zeitung „Il Giornale“ davor, das Heilige Jahr oder die Heilige Pforte für politische oder ideologische Zwecke zu benutzen.
Vom 5. bis 7. September nahmen rund 1.400 Teilnehmer aus etwa 20 Ländern an der von der italienischen Initiative „La Tenda di Gionata“ in Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Organisation „Outreach“ des bekannten Jesuitenpaters James Martin organisierten Wallfahrt teil. Es war das erste Mal, dass eine solche Pilgerfahrt im offiziellen Jubiläumskalender des Vatikans aufgeführt wurde.
Bei der LGBT-Wallfahrt kam es zu zahlreichen Kontroversen, die grundsätzliche Fragen zur Durchsetzung vatikanischer Regeln aufwarfen. Ein zentrales Ärgernis bildete ein Teilnehmer, der einen Rucksack mit der aufgedruckten vulgären Aufschrift „F*** the Rules“ (auf Deutsch etwa „Scheiß auf die Regeln“) trug, als er sich in der Petersbasilika aufhielt.
Müller sagte, es sei nicht akzeptabel, das Heilige Jahr und die Heilige Pforte „für eine solche Ideologie“ zu „instrumentalisieren“. Die Kirche nehme zwar alle Menschen im Namen Jesu Christi an, doch müsse sie zugleich an der göttlichen Schöpfungsordnung festhalten.
„Gott hat Mann und Frau geschaffen, und nur diese Verbindung ist die einzige Möglichkeit, in ehelicher Gemeinschaft zu leben“, betonte der Kardinal. Die Heilige Pforte dürfe, so fügte er hinzu, „nicht für politische Zwecke genutzt werden“.
Müller erinnerte daran, dass das Heilige Jahr ein geistliches Ereignis sei: „Christus ist die Heilige Pforte, durch die wir in die Kirche, in die Familie Gottes eintreten.“ Christen müssten nicht „die Feinde besiegen, sondern die Feindschaft“.
Im Blick auf die ersten Monate des Pontifikats von Papst Leo äußerte sich Müller grundsätzlich positiv. Er habe, so sagte der Kardinal, mit Freude gesehen, dass Leo „sein Pontifikat mit Christus, dem Zentrum des christlichen Glaubens, begonnen hat“.
Dieser klare Christozentrismus sei notwendig. Zwar gehörten „Fragen des sozialen Lebens und der Politik“ zur kirchlichen Mission, doch ihre Hauptaufgabe bleibe die Verkündigung des „Evangeliums, der Erlösung und des ewigen Lebens“.
Die Frage nach der Kollegialität der Bischöfe bewertete Müller zuversichtlich. Papst Leo verstehe sich, so sagte er, nicht als autokratischer Herrscher, sondern als Bischof von Rom, der „ein Kollegium von Kardinälen hat, das sein Senat ist“.
Die Aufgabe der Kardinäle sei es, den Papst in seiner Mission „intellektuell und moralisch zu unterstützen“. Die Kollegialität der Bischöfe sei ein Element des Glaubens und gehöre zum katholischen Dogma.
Zur Diskussion um die überlieferte Messe mahnte Müller einen vermittelnden Ansatz an. Die Frage könne „nicht mit Autoritarismus“ entschieden werden. Er sagte, es bedarf einer „klaren, theologischen und nicht nur politischen Reflexion“, um beide Seiten einander näherzubringen.
Mit Blick auf die Lehre der Kirche über Sexualität und Lebensführung erinnerte Müller daran, dass alle Menschen zur Begegnung mit Christus eingeladen seien – jedoch mit der Bereitschaft zur Umkehr.
„Alle Menschen sind aufgerufen, Jesus Christus, den einzigen Retter der Welt, zu finden, aber mit einer Veränderung ihres Lebens“, sagte er. Der Kardinal warnte davor, die bekannte Formel von Papst Franziskus – „alle, alle, alle“ – als Zustimmung zu einem Lebensstil zu deuten, der mit dem Evangelium unvereinbar sei.
Bereits in der frühen Kirche habe man von Taufbewerbern erwartet, ihr Leben zu ändern. Müller verwies auf das Beispiel der Gladiatoren, die nicht länger töten durften, wenn sie Christen werden wollten.