Umgang mit Missbrauchstätern: Seligsprechung von Jesuitengeneral Arrupe belastet

Umgang mit Missbrauchstätern: Seligsprechung von Jesuitengeneral Arrupe belastet

Das Seligsprechungsverfahren für Pedro Arrupe, den 1991 verstorbenen langjährigen Generaloberen der Jesuiten, gerät ins Wanken: Neue Gerichtsdokumente zeigen, dass Arrupe bereits 1977 vor dem späteren Missbrauchstäter Donald Barkley Dickerson gewarnt wurde – und ihn dennoch 1980 zur Priesterweihe zuließ.

Diese brisanten Informationen stammen aus einer Klage, die im Juni 2024 vor dem Orleans Civil District Court in Louisiana eingereicht wurde, wie das Nachrichtenportal Zenit berichtete.

Ein Mann behauptet darin, Dickerson habe ihn 1984 als 17-jährigen Studenten an der jesuitischen Loyola University in New Orleans vergewaltigt. In den vorgelegten Gerichtsdokumenten befindet sich unter anderem ein Brief vom 20. Dezember 1977, den der Provinzobere Thomas Stahel SJ direkt an Arrupe nach Rom sandte.

Stahel warnte eindringlich vor Dickerson, der sexuelle Avancen gegenüber einem 14-jährigen Jungen gemacht haben soll. Der Schüler einer Jesuitenschule in Indianapolis berichtete seinen Eltern von dem Übergriff. Diese wandten sich daraufhin an Stahel. Es war bereits der dritte minderjährige Ankläger – Dickerson hatte zuvor zwei andere Schüler sexuell belästigt.

„Ich glaube nicht, dass wir Dickerson guten Gewissens als ordinationsbereit präsentieren können“, schrieb Stahel an Arrupe. Die ursprünglich für den 27. Dezember 1977 geplante Priesterweihe wurde daraufhin verschoben.

Psychiatrische Behandlung statt Strafverfolgung

Die Jesuiten wählten den damals üblichen Weg der internen Lösung. Dickerson wurde 1978 erneut zu einer psychiatrischen Behandlung geschickt. Im September 1978 schrieb Arrupe an den Jesuitenpater Louis Lambert, er habe den psychiatrischen Bericht über Dickerson erhalten: „Ich werde weitere Informationen zu diesem Fall von Pater Stahel abwarten.“ Dies ist das letzte dokumentierte direkte Engagement Arrupes in diesem Fall.

Lambert, der damals für die Ausbildung zuständig war, hatte Dickerson trotz der Vorwürfe zur Weihe empfohlen. Er behauptete, Dickerson werde nur übergriffig, wenn er „nervös“ sei. Diese verharmlosende Einschätzung trug zur fatalen Entscheidung bei, Dickerson 1980 in Alabama zum Priester zu weihen.

Eine Kette weiterer Opfer

Seine erste Zuweisung führte ihn an die Jesuit College Preparatory School in Dallas, deren Schulleitung nicht über seine Vergangenheit informiert wurde. Bereits im Juli 1981 musste er nach neuen Missbrauchsvorwürfen von der Schule entfernt werden.

Anstatt ihn zu laisieren oder den Behörden zu melden, versetzten die Jesuiten Dickerson zur Kathedrale St. John Berchmans in Shreveport, Louisiana. Dort organisierte er sogar einen „Youth Day” mit fast 300 Schülern aus der Region. Von Shreveport aus besuchte er regelmäßig seine alte Universität, die Loyola University in New Orleans, wo er den späteren Kläger kennenlernte.

Erst 1986, nach mindestens sieben glaubwürdigen Anschuldigungen, wurde Dickerson aus der Gesellschaft Jesu entlassen. Doch selbst dann zeigten sich die Verantwortlichen zögerlich: Pater Edmundo Rodriguez SJ empfahl in einem Memo, man solle Dickerson „den Vorteil des Zweifels” gewähren und ihm 10.000 Dollar Lebensunterhalt zahlen.

Auswirkungen auf das Seligsprechungsverfahren

Die diözesane Phase des Seligsprechungsverfahrens von Arrupe wurde im November 2024 in Rom abgeschlossen. Dabei wurden fast 10.000 Seiten unveröffentlichter Schriften sowie 70 mündliche Zeugenaussagen gesammelt. Papst Franziskus, der selbst Jesuit war, hatte mehrfach seine Unterstützung für Arrupes Seligsprechung bekundet.

Die neuen Enthüllungen werfen Zweifel auf. Anwälte der Missbrauchsbetroffenen haben bereits öffentlich die Einstellung des Verfahrens gefordert. Für eine Seligsprechung sind nicht nur heroische Tugenden erforderlich, sondern auch ein beispielloses Gewissen – besonders beim Schutz der Schwächsten.

Bereits 2018 haben die Jesuiten eingeräumt, dass die Vorwürfe gegen Dickerson glaubwürdig sind, und ihn auf ihre offizielle Liste von Ordensmitgliedern mit bestätigten Missbrauchsvorwürfen gesetzt. Pater John Armstrong SJ nannte das damalige Vorgehen unter Eid „schrecklich“ und erklärte: „Ich verstehe nicht, wie er nach dem ersten Vorfall weitermachen durfte.“

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