Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat bei einer Messe in Fulda die „Vision einer Kirche“ gewürdigt, „die nicht bei sich selbst verbleibt“. Der Bischof von Speyer predigte am Donnerstagmorgen beim Gedächtnisgottesdienst für die verstorbenen Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Heute geht die Herbst-Vollversammlung der DBK zu Ende.
Wiesemann sprach einerseits über die Lesung aus dem Propheten Haggai über die Rückkehr des Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft, andererseits über den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg im Bistum Speyer, der unter dem Motto „Dombau ist Wohnungsbau“ stand.
„Die Geschichte des Siedlungswerkes der Diözese Speyer setzt wie in vielen anderen Diözesen in einer Zeit großer Armut und Wohnungsnot unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg an“, erinnerte der Bischof. „Nicht nur, dass viele Häuser in der Pfalz, etwa in Ludwigshafen oder Kaiserslautern, durch Bomben und Kriegshandlungen weitgehend zerstört waren. Dazu kamen die vielen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, die alles verloren hatten und nun dringend ein Dach über dem Kopf benötigten.“
Damals sei „vielerorts der Wiederaufbau und das Wiederherrichten der Kirchen unmittelbar, noch vor dem Wiederaufbau der Häuser, in Angriff genommen“ worden, so Wiesemann. „Es gab damals eine enorme Spendenbereitschaft aus der ganzen Bevölkerung für die Wiederherstellung der Gotteshäuser. Darin spiegelt sich sicherlich auch die ungeheure seelische Not nach dem Wahnsinn und Schrecken des Naziregimes und des verlorenen Krieges wider, die nicht geringer als die körperliche und materielle war.“
„Für die Menschen in den Ruinen, die der Krieg hinterlassen hatte, gerade auch für die aus ihrer Heimat Vertriebenen, war der Kirchbau ein unersetzlich wichtiger Ort, sich ein Rest von Heimat zu bewahren und die seelischen Kräfte für den radikalen Neuanfang zu gewinnen“, hielt er fest. „Das Wiederherrichten der Kirchen mit allem, was für das kirchliche Leben nötig war, wurde für viele zum Symbol des Neuanfanges mit dem Segen Gottes.“
Und doch „mutete der damalige Bischof von Speyer und spätere Münchner Kardinal Joseph Wendel den Gläubigen eine Art von Steuer auf den Kauf von Glocken, Orgeln, Heiligenfiguren und anderen wichtigen Gegenständen zur Kircheneinrichtung zu, um mit diesen Einnahmen denen zu helfen, die überhaupt kein Dach über ihrem Kopf hatten und die durch den Krieg ihr Zuhause oder ihre Lebensgrundlage verloren hatten. Das war die Geburtsstunde des Speyrer Siedlungswerkes.“
„Das damalige Motto ‚Dombau ist Wohnungsbau‘ war auch in anderen Diözesen leitend – und gewinnt angesichts der heutigen Wohnungsmisere eine neue Aktualität“, betonte Wiesemann. „Berührend ist die Vision von Kirche, die hier zur gelebten Solidarität mit der Not der Menschen wurde.“
„Überlegt doch, wo und wie das Leben Vielfalt und Farbe, soziale Wärme, Sinn und Würde für alle, echte miteinander geteilte Lebensfreude erlangt, und schon beginnt der Tempelbau Gottes mitten in unserer Welt“, schlug der Bischof den Bogen zur heutigen Zeit. Es sei „unsere Aufgabe in der Welt, hier schon etwas von dem zum Erstrahlen zu bringen, was uns im himmlischen Jerusalem erwartet“.
